Mystère

Ari rückte die Lichterkette zurecht und stützte sich wieder auf die Theke. Er hörte, wie in der Küche der Kühlschrank ansprang und stellte die Musik etwas lauter. Der Laden war komplett leer, er hatte nichts zu tun. Nach einer Weile des Rumstehens nahm er sich eine der Zeitungen und setzte sich nach vorn. Das letzte Licht des Tages fiel durch die Fenster hinein und von hier konnte er die alte Brücke mit ihren üblichen Bewohnern sehen. Er legte die Zeitung  beiseite und beobachtete die alten Männer und Frauen, und die jungen und undefinierbaren unter ihnen, wie sie debattierend und zeternd auf und ab liefen. Ari konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber folgte gespannt den Bewegungen ihrer Arme und Beine, den bezeichnenden Falten ihrer Kleidung, die ihre Körper definierten und Muskel und Fleisch zu Organen des Ausdrucks machten. Als die Laternen begannen zu leuchten, beruhigte sich das Schauspiel in plötzlichen Schüben und schließlich saß nur noch eine junge Frau dort, ihren Kopf zurückgelegt, als wollte sie sich sonnen.

Hinter der Theke begann die Lichterkette zu flackern. Ari erhob sich und schüttelte eine große Steckerleiste, bis sich die Farben der Kette wieder beruhigt hatten. Als er zum Fenster zurückkehrte, war auch die letzte Frau verschwunden. Er setzte sich wieder und betrachtete die leere Brücke.

„Entschuldigung?“

Ari fuhr erschrocken in die Höhe. Vor ihm stand die junge Frau von der Brücke, ihre Haare unter einem eng anliegenden Kopftuch verborgen. Sie lächelte ihn an.

„Habt ihr noch geöffnet? Ich hätte gerne einen Tee.“

Ari nickte, unfähig sich zu bewegen, während sie sich an einen der Tische setzte und ihr Telefon hervorholte. Ari ging in die Küche und kam kurz darauf mit einem Tee zu ihrem Tisch herüber. Als er die Tasse abstellte, erhaschte er einen Blick auf ihren Bildschirm.

„Darf ich fragen, was Sie lesen?“

„Na klar. Nur deine Tweets.“

Sie hob das Telefon hoch und beachtete ihn nicht mehr. Ari blieb noch eine Weile stehen, dann kehrte er zurück hinter die Theke, aber sein Blick blieb auf hier. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und so konnte er nur ihren Hinterkopf und das Tuch, das ihn bedeckte sehen. Ihre Worte begannen in seinem Kopf zu rotieren und er folgte ihnen gehorsam in eine unbekannte Welt, in der nur eine Frage zählte:

„Welche Farbe? Welche Farbe haben deine Haare?“

Aris Handy vibriert. Er zieht es mechanisch hervor und liest ihre Nachricht: „@Ari Was möchtest du mich wirklich fragen?“

Er hält inne, den Finger über der Tastatur.

„Ich weiß es nicht…“

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