Zukunft für alle… bald auf Lager… heute im Gespräch

Er schaute durch die verdunkelten Scheiben seiner Wohnung auf sich selbst und genoss das Gefühl des Erfolgs. Er hatte gerade einen Auftritt im staatlichen Fernsehen absolviert und sprach nun zu sich über die Vorzüge seiner Technologien für die Allgemeinheit, die er erschaffen und verteidigt hatte. Der Fernseher tauchte das Wohnzimmer in blaues Licht und er lauschte seiner eigenen Stimme, die den Fragen des Reporters elegant begegnete.

“Sie sind zu einem Vorbild für eine ganze Generation geworden, wie fühlt sich das an?”

Er wandte sich um und beobachtete wie ein Kameraschwenk mit Zoom sein lächelndes Gesicht fokussierte.

“Es geht nicht um mich, es geht um das, was wir den Leuten bieten, um ihr Leben zu verbessern. Wir arbeiten für eine bessere Zukunft.”

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Ohnmacht

Malik lehnte sich an seinen Koffer und schaute hinaus auf die Straße. Frisches Tauwasser spritzte auf den Gehweg, aber die Autos kamen immer seltener. Nur das Rasseln des Ventilators im Lüftungsschlacht, dessen stickige Luft sich zu einer schützenden Mauer auftürmte, bewahrte ihn vor einer tiefen Ohnmacht.

Malik wartete.

Nach einer Weile näherten sich Schritte, eine dürre Gestalt blieb direkt vor Malik stehen und schaute auf ihn herab.

„Dude… was machst du da, man?“

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Happiness

Lue betrachtet die Frau und ihre zwei Begleiter. Ihre Haare stehen zerzaust ab und alle drei sind sichtlich betrunken. Deutlich treten ihre schlaffen Brüste unter einer halb geöffneten Bluse hervor, zwei letzte Knöpfe halten den Stoff über ihrem dicken Bauch zusammen. Die beiden Männer tragen dünne schwarze Lederjacken und dunkle Jeans. Nur ihre verschwitzten Haare treten deutlich hervor.

Die Frau lächelt und wiederholt ihre Bestellung.

„Gib mir ne Packung Billy Boy und den billigen Wodka da links.“

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Geister

Li führte Ari seit Tagen durch die engen Nächte in Tsim Tsa Tsui, nur beim Tanzen wurde er zum Lehrer. Sie beobachtete die Abfolge der Schritte und in ihrer unbeholfenen Gleichförmigkeit fand sie Trost für all die Dinge, die sie nicht verstand. Die Lichter der Türme verband sie zu gedrungenen Gestalten, die über den Beton der Stadt huschten wie die Geister aus alten Geschichten. An ihrem letzten Abend kehrten sie zurück ans Meer und lauschten der Stille einer Stadt. Sie hatten nie einen Versuch unternommen, den Raum zwischen ihnen zu überwinden. Allein ihre Einsamkeit hatten sie gemeinsam.

Bild des Anderen

Mia wartete bis Ari sich ausgezogen hatte, dann reichte sie ihm die Kamera. Ihre Nacktheit fühlte sich ungewohnt an, als wäre nicht länger klar, was ihr Körper für sie bedeutete. Ari hielt die Kamera vor sich in die Höhe und trat näher. Mia folgte seinem Beispiel. Deutlich traten die dunklen Haare auf seiner Brust hervor und sie hob die Kamera und drückte ab. Sie ging weiter zwischen Aris Beine und zielte, er nahm ihren Rücken, dann den Mund, sie ein Knie und die Höhle des Schlüsselbeins. Ihre Bewegungen wurden spontaner, ihre Idee zum Spiel und sie gaben sich ihrem entrückten Tanz ohne Berührung hin, der sie doch vollends vereinte. Sie umkreisten einander und speisten ihre Imagination mit den Bildern ihrer Körper. Denn erst durch die Kamera konnten sie sich befreien und endlich neu erschaffen, im Bilde des Anderen und sich selbst.

Zum ersten Mal konnten sie wirklich sehen.

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