Tina! fick mein leben!
er sagt: nur fünf minuten
und ich steh schon so seit ewig
was soll ich denn jetz‘ machen
hier fährt doch nur ‘n zug
und sonst so nicht so, nur ne Oma
und da nen haufen hunde
Tina! fick mein leben!
er sagt: nur fünf minuten
und ich steh schon so seit ewig
was soll ich denn jetz‘ machen
hier fährt doch nur ‘n zug
und sonst so nicht so, nur ne Oma
und da nen haufen hunde
Ari nickt ihr zu und dann zu mir gewandt: Sie glaubt wirklich an gar nichts mehr.
Ich blicke ihr nach, wie sie nach unten verschwindet, und kann Ari nicht verstehen. Alles, was ich sehe, ist unendliche Einsamkeit und obwohl ich sie nie mochte, kann ich ihren Schmerz in allen Einzelheiten spüren.
Ari folgt ihr kurz darauf und ich drehe mich durch die Glastüren in die Nacht hinaus. Am Boden glitzert das Licht der Laternen im Nass eines grad vergangenen Regens und das Rot und Gold nimmt mir ihre Bedrückung, aber Aris Worte liegen noch immer in meinem Kopf. Die Autos drängen sich rechts, ich gleite links, und er mit mir.
Eine Viertelstunde später, ich habe die Innenstadt schon hinter mir gelassen, trifft es mich plötzlich. Meine Umgebung schaut teilnahmslos an mir vorbei und niemand ist mit mir, nichts ist hier, das diese Erkenntnis ausgelöst haben könnte. Erst durchfließt es mich kalt, dann heiß, und was zurückbleibt, ist das Wissen, dass ich es bin, von der Ari gesprochen hat.
Ich bleibe stehen und warte auf das Entsetzen.
Es muss kommen, aber nichts.
Stattdessen bleibt die Wärme und eine merkwürdige Ruhe breitet sich in mir aus. Ich muss an die Worte meiner Mutter denken, an ihre Begegnung mit dem Heiligen, nur das in mir nichts ist, außer dem Profanen.
Dann muss ich lachen und lachend tragen mich meine Beine zurück zu Ari.
Ich laufe herunter und er schaut überrascht zu mir auf. Ich ziehe ihn nach vorn und nach einem kurzen Kuss weiß ich: Ich liebe dich.
Ari lächelt und sagt: Ich weiß.
Meine Welt entschwindet zwischen den Zeilen meiner eigenen Fiktionen. Ich fühle es in mir und gehe die paar Stufen herunter. Der Untergrund des Bahnhofs offenbart mir einen Wald von Schließfächern, ich bezahle und schiebe das Päckchen hinein, schließe ab und gehe wieder hinaus. Warme, dreckige Luft aus den U-Bahn-Schächten weht mit mir nach draußen. Mein Mantel flattert leicht im Wind, ich bin mir jeden Schritts bewusst und gleite durch die Nacht, wie der Vorbote meiner eigenen Taten.
Die Schlange vor der Disko ist lang. Ich gehe einfach vorbei und stelle mich nach vorne. Irgendjemand berührt meine Schulter, ich sehe einen geöffneten Mund und das Bild von Blut durchflutet meine Gedanken. Ich drehe mich wieder um. Drinnen gehe ich zur Bar, Whisky und Bier, die Tanzfläche ist proppenvoll, die Menge wogt. Ich klettere auf eine der Emporen und schaue auf das Spektakel, die glänzenden Augen, den Schmuck, die polierten Stangen und sehe die Symbole eines ästhetischen Beginns, textuell markiert.
Sie schreibt und reiht die Worte gefolgt vom langen Starren … geradeaus nach innen. Dann nimmt sie das Beil, holt aus im Wunsche, dass alles wieder ein Ganzes findet. Rote Streifen auf weißem Leinen.
Die Türklingel hebt den Vorhang.
Was willst du?
Wo warst du gestern?
…
LÜGNERIN!