Mystère

Ari rückte die Lichterkette zurecht und stützte sich wieder auf die Theke. Er hörte, wie in der Küche der Kühlschrank ansprang und stellte die Musik etwas lauter. Der Laden war komplett leer, er hatte nichts zu tun. Nach einer Weile des Rumstehens nahm er sich eine der Zeitungen und setzte sich nach vorn. Das letzte Licht des Tages fiel durch die Fenster hinein und von hier konnte er die alte Brücke mit ihren üblichen Bewohnern sehen. Er legte die Zeitung  beiseite und beobachtete die alten Männer und Frauen, und die jungen und undefinierbaren unter ihnen, wie sie debattierend und zeternd auf und ab liefen. Ari konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber folgte gespannt den Bewegungen ihrer Arme und Beine, den bezeichnenden Falten ihrer Kleidung, die ihre Körper definierten und Muskel und Fleisch zu Organen des Ausdrucks machten. Als die Laternen begannen zu leuchten, beruhigte sich das Schauspiel in plötzlichen Schüben und schließlich saß nur noch eine junge Frau dort, ihren Kopf zurückgelegt, als wollte sie sich sonnen.

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Zuflucht

Es war ein langer Tag, als ich die Tür verschlossen vorfinde. Wie ein Idiot versuche ich wieder und wieder den Schlüssel ins Schloss zu schieben, mein Hirn unfähig zu begreifen, was vorgefallen ist, was vorgefallen sein muss. Irgendwann gehe ich ums Haus herum und sehe sie dort sitzen. Ich klopfte gegen die Fensterscheibe, sage nichts, schaue nur. Sie kommt mir entgegen und verharrt kurz vor der Scheibe, bevor der Fensterladen vor mir zu Boden knallt. Ich gehe wieder nach vorn, die Schlüssel immer noch in der Hand, dann zum Auto. Irgendwo in mir höre ich mich zu mir sprechen, dass ich was unternehmen muss, aber keine Anweisung erreicht mein Bewusstsein vollständig. Ich starte das Auto, schere aus und bin gleich wieder auf der Straße.

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Blockpause

Du bereitest mir die Bühne: der Schwung nach vorn und ich sehe entlang dieser Hüften hinaus ins Freie, atme endlich wieder Luft ein. Ich spüre deinen Blick ganz deutlich, aber vergesse ihn mit den Strahlen auf meiner Haut. Das Licht flutet mein Bewusstsein und ich muss nicht mehr wissen, was ich bin. Alle Existenz wurde mir entzogen und ich gleite dahin.

Dein Schlag trifft mich unerwartet und erst jetzt werde ich der Spitzen gewahr, die den Boden unter mir bedecken und spüre die Dunkelheit gleich neben mir. Ich habe vergessen, wie Panik sich anfühlt, aber ich glaube, sie befiehlt mir zu fliehen, nur keiner meiner Sinne gehorcht mehr diesem fernen empathischen Gefühl.

Mein Blick auf ewig geöffnet geht geradeaus. Ich warte auf dich.

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Spur 2 ist frei

Ari nickt ihr zu und dann zu mir gewandt: Sie glaubt wirklich an gar nichts mehr.

Ich blicke ihr nach, wie sie nach unten verschwindet, und kann Ari nicht verstehen. Alles, was ich sehe, ist unendliche Einsamkeit und obwohl ich sie nie mochte, kann ich ihren Schmerz in allen Einzelheiten spüren.

Ari folgt ihr kurz darauf und ich drehe mich durch die Glastüren in die Nacht hinaus. Am Boden glitzert das Licht der Laternen im Nass eines grad vergangenen Regens und das Rot und Gold nimmt mir ihre Bedrückung, aber Aris Worte liegen noch immer in meinem Kopf. Die Autos drängen sich rechts, ich gleite links, und er mit mir.

Eine Viertelstunde später, ich habe die Innenstadt schon hinter mir gelassen, trifft es mich plötzlich. Meine Umgebung schaut teilnahmslos an mir vorbei und niemand ist mit mir, nichts ist hier, das diese Erkenntnis ausgelöst haben könnte. Erst durchfließt es mich kalt, dann heiß, und was zurückbleibt, ist das Wissen, dass ich es bin, von der Ari gesprochen hat.

Ich bleibe stehen und warte auf das Entsetzen.

Es muss kommen, aber nichts.

Stattdessen bleibt die Wärme und eine merkwürdige Ruhe breitet sich in mir aus. Ich muss an die Worte meiner Mutter denken, an ihre Begegnung mit dem Heiligen, nur das in mir nichts ist, außer dem Profanen.

Dann muss ich lachen und lachend tragen mich meine Beine zurück zu Ari.

Ich laufe herunter und er schaut überrascht zu mir auf. Ich ziehe ihn nach vorn und nach einem kurzen Kuss weiß ich: Ich liebe dich.

Ari lächelt und sagt: Ich weiß.