Zuflucht

Es war ein langer Tag, als ich die Tür verschlossen vorfinde. Wie ein Idiot versuche ich wieder und wieder den Schlüssel ins Schloss zu schieben, mein Hirn unfähig zu begreifen, was vorgefallen ist, was vorgefallen sein muss. Irgendwann gehe ich ums Haus herum und sehe sie dort sitzen. Ich klopfte gegen die Fensterscheibe, sage nichts, schaue nur. Sie kommt mir entgegen und verharrt kurz vor der Scheibe, bevor der Fensterladen vor mir zu Boden knallt. Ich gehe wieder nach vorn, die Schlüssel immer noch in der Hand, dann zum Auto. Irgendwo in mir höre ich mich zu mir sprechen, dass ich was unternehmen muss, aber keine Anweisung erreicht mein Bewusstsein vollständig. Ich starte das Auto, schere aus und bin gleich wieder auf der Straße.

Im Studio angekommen ziehe ich den Kamerarucksack auf und beginne die Aufnahmen von heute zu überspielen. Ich lehne mich zurück, verfolge den langsam vorrückenden Balken, bis die ersten Videos erscheinen, dann beginne ich das Material zu sichten. Es ist gut geworden. Es hatte sich gelohnt, den Dreh sorgfältig vorzubereiten, trotz der Mahnung, sich keine zusätzliche Arbeit zu machen. Ein Gefühl der Zufriedenheit breitet sich in mir aus und ich muss grinsen. Beinahe spielt die verschlossene Tür keine Rolle mehr, alles beiseite gewischt durch ein paar Bilder, ein paar Sequenzen. Ich wechsele zur zweiten Karte und starte den nächsten Kopiervorgang. Die Lüfter springen an und erfüllen das Büro mit ihrem hellen Rauschen. Draußen geht die Sonne gerade unter und streicht den Garten in warmes Gold. Ich bin völlig ruhig und dann: Der Gedanke kommt ohne Vorwarnung. Warum eigentlich? Darf ich ruhig sein? Darf ich ruhig sein, wenn ich nicht weiß, wo ich heute schlafen werde, wie es weitergehen wird?

Ich schaue durch die Glasscheibe vor mir, das Studio ist geräumig, genug Platz für einen Schlafplatz, dann nach draußen und plötzlich sehe ich es deutlich vor mir. Ich kann nicht mehr zurück, ich bin raus, weiß nicht wohin. Der Raum zieht sich unangenehm zusammen, das Rauschen der Lüfter wird zu einem penetranten Surren. Die Zufriedenheit transformiert sich schmerzhaft in ein namenloses Gefühl der Gegenwärtigkeit, meine gesamte Wahrnehmung auf diesen Moment reduziert, der nur aus den kalten Computern und den Körpern aus Linsen besteht. Der Stuhl unter mir wird lebendig und beginnt mich aufzufressen, die plötzlich einsetzende Dunkelheit durchdringt das Glas und greift mich an, ich springe auf, muss mich zur Wehr setzen, dem Moment entkommen. Irgendwo hatte ich noch ein paar Zigaretten, aber da ist nichts, die Schubladen sind leer, sie wollte, dass ich aufhöre, dort liegt nur eine leere Flasche mit ein paar Tropfen Saft, die mich leer anstarren oder ich sie, ich weiß nicht mehr.

Éd?

Ich schaue auf. Ari steht in der Tür, Glassplitter am Boden. Er hält die Schlüssel zum Studio in der Hand, Stativ auf dem Rücken.

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