Happiness

Lue betrachtet die Frau und ihre zwei Begleiter. Ihre Haare stehen zerzaust ab und alle drei sind sichtlich betrunken. Deutlich treten ihre schlaffen Brüste unter einer halb geöffneten Bluse hervor, zwei letzte Knöpfe halten den Stoff über ihrem dicken Bauch zusammen. Die beiden Männer tragen dünne schwarze Lederjacken und dunkle Jeans. Nur ihre verschwitzten Haare treten deutlich hervor.

Die Frau lächelt und wiederholt ihre Bestellung.

„Gib mir ne Packung Billy Boy und den billigen Wodka da links.“

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Geister

Li führte Ari seit Tagen durch die engen Nächte in Tsim Tsa Tsui, nur beim Tanzen wurde er zum Lehrer. Sie beobachtete die Abfolge der Schritte und in ihrer unbeholfenen Gleichförmigkeit fand sie Trost für all die Dinge, die sie nicht verstand. Die Lichter der Türme verband sie zu gedrungenen Gestalten, die über den Beton der Stadt huschten wie die Geister aus alten Geschichten. An ihrem letzten Abend kehrten sie zurück ans Meer und lauschten der Stille einer Stadt. Sie hatten nie einen Versuch unternommen, den Raum zwischen ihnen zu überwinden. Allein ihre Einsamkeit hatten sie gemeinsam.

Spambot or the Implications of Being Attached

Lue woke up and reached for her mobile. He wrote her again. The lines simply said: I love your work. She answered with a smile and got up.

Their correspondence began a few weeks ago with a similar comment of his. Lue had answered without thinking and he locked on to her and didn’t let go. At first, she didn’t reply, but that couldn’t discourage him. The comments came daily, even more, if she actually answered. And she did. Somehow she felt less alone with him.

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Selbstsucht

Lue liebte ihre Aufpasserin. Vom ersten Moment an wusste sie, dass sie ihr nichts ausschlagen konnte. Sie liebten sich jeden Freitag, wenn die anderen schon gegangen waren und blieben beieinander bis zum nächsten Morgen. Lue verzehrte sich in ihrer Zelle im Gedanken an ihre Präsenz, an ihr Bewusstsein, ganz nah bei ihr zu sein, und wünschte, diese Fantasie würde niemals enden. Sie nahm sie mit sich und träumte selbst Monate nach ihrer Entlassung noch von ihr. Es gab ihr eine Bestimmung jenseits jeder Realität und Lue wusste, dass diese Sehnsucht für sie mehr wert war als die Erfüllung einer Wiedervereinigung. Sie würde nie wieder aufgeben.

[Bildquelle]

Bild des Anderen

Mia wartete bis Ari sich ausgezogen hatte, dann reichte sie ihm die Kamera. Ihre Nacktheit fühlte sich ungewohnt an, als wäre nicht länger klar, was ihr Körper für sie bedeutete. Ari hielt die Kamera vor sich in die Höhe und trat näher. Mia folgte seinem Beispiel. Deutlich traten die dunklen Haare auf seiner Brust hervor und sie hob die Kamera und drückte ab. Sie ging weiter zwischen Aris Beine und zielte, er nahm ihren Rücken, dann den Mund, sie ein Knie und die Höhle des Schlüsselbeins. Ihre Bewegungen wurden spontaner, ihre Idee zum Spiel und sie gaben sich ihrem entrückten Tanz ohne Berührung hin, der sie doch vollends vereinte. Sie umkreisten einander und speisten ihre Imagination mit den Bildern ihrer Körper. Denn erst durch die Kamera konnten sie sich befreien und endlich neu erschaffen, im Bilde des Anderen und sich selbst.

Zum ersten Mal konnten sie wirklich sehen.

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